Sonntag, 21. April 2013

Furchtbarer und fruchtbarer Wettbewerb

Wettbewerb um seiner selbst Willen macht nicht viel Sinn. Das kenne ich von früher unter „Operative Hektik bei geistiger Windstille“ (siehe aktuell „Der Spiegel und seine mißratene Redaktions-Doppel-Spitze“). Zwei Hähne mit Messerklingen an den Füßen aufzuhetzen, ersetzt kein tragfähiges Konzept. Das muß eine Führung selbst schaffen. Führung ist eben nicht Manipulation, ist eben nicht „sich-zurücklehnen-und-andere-bei-der-Schlägerei-beobachten“. Was beim Spiegel festzustellen ist, ist die völlige Abwesenheit von Führung: Führungsimpotenz und Führungsinkompetenz in einem.
 
Diese „Zwei-Streithähne-Methode“ ist allerdings in der gesamten Wirtschaft weit verbreitet. Gerade die bekannten „Nieten in Nadelstreifen“ wenden sie gerne an, denn so können sie stets auf das Versagen des Unterlegenen im Wettbewerb verweisen. Daß die beiden Streithähne bei gelungener Führung zusammen wesentlich mehr auf die Beine stellen würden, entgeht dabei gern der Aufmerksamkeit. Der Wettbewerbsvogang ist derart unterhaltsamer Klamauk, daß die Betrachtung des Ergebnisses, der Zahlen unter dem Strich, übersehen wird. Nun, zumindest ist es ja unterhaltsam. Und wenn ein Unternehmer(erbe) sich so vergnügen will, dann soll er auch dafür bezahlen dürfen.
Weiter: Wettbewerb nur, um einigen wenigen Zugang zu den „Fleischtöpfen“ zu gewähren (das ist die eigentliche Zielsetzung bei allen Privatisierungsprojekten), ist nicht wirklich förderlich für Innovationen oder Problemlösungen. Da werden alternative Konzepte eher behindert; man beschäftigt sich nach außen zwar damit, will aber eigentlich nur die Kühe weiter in Ruhe melken.
Bei allen Versuchen, Land und Wasser zu privatisieren, wird es ganz deutlich. Mangels eigener neuer Produktideen, wird auf die Grundbedürfnisse der Menschen zugegriffen. Mit der immer gleichen Begündung: Wettbewerb würde „das Beste  im Manne“ hervorbringen und so zum Nutzen aller bessere und billigere Produkte erzeugen. In Wahrheit geht es um die Rückkehr zur Feudalherrschaft.
Das alles ist furchtbarer Wettbewerb, der nur dem einen Zweck dient, Herrschaft zu erhalten. Und vielleicht noch dem Nebenzweck, eigene Unfähigkeit zu verbergen. Dieser furchtbare Wettbewerb hat nur Vernichtung von Werten zufolge, nicht aber die Schaffung von Mehrwert. Die Übernahme eines Konkurrenzunternehmens erhöht nicht die Gesamtwerte, sie verteilt sie nur um. Sie ist nur ein Mittel der Herrschaftsfestigung. Die Folge ist nicht neuer Schwung für neue Projekte. Die Folge ist Selbstzufriedenheit und sinkende Eigenleistung.

Kooperativer Wettbewerb

Demgegenüber steht der fruchtbare Wettbewerb. Er ist ein Element der erfolgreichsten Strategie, die die Evolution hervorgebracht hat: Kooperation. Nur um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: Kooperation heißt, sich zusammen an einem gemeinsamen Ziel orientieren, zum gegenseitigen Nutzen. Es heißt nicht „Friede-Freude-Eierkuchen“ oder „Koste-es-was-es-wolle“.
In der Kooperation setzt der sinnstiftende, das ist der Mehrwert schaffende, Wettbewerb schon bei der Definition der Ziele ein. Selbstverständlich setzt sich dabei eine Idee, ein Ideengeber durch. Das soll ihm zu Ehre und zu Einkommen gereichen. Wichtiger aber ist, daß das so gefundene Ziel von allen akzeptiert und stringent verfolgt werden wird.
Danach geht es im gleichen Stile weiter. Die Idee ist ja nur der Anfang (eines Unternehmens oder eines Projektes oder eines staatlichen Vorhabens oder was auch immer).
Der wirklich entscheidende Punkt ist das zugrundeliegende Verhaltensmuster. Das jeder für sich selbst nach Erfolg, Ansehen, Vermögen und Glück strebt ist keine große Erkenntnis. Es ist einfach so. Auch ist es nicht von Bedeutung, etwas haben zu wollen, daß ein anderer auch hat. Der Unterschied ist, dieses etwas, das ein anderer auch hat, selbst noch einmal erlangen zu können. Es also noch einmal zu erschaffen. Das ist dann der Mehrwert. Man orientiert sich bei seinen Zielen an anderen. Man hat sie als Vorbild. Man hat sie aber nicht als Beuteobjekt.
Kooperativer Wettbewerb kennt durchaus wechselnde Konstellationen und wechselnde Partnerschaften. Er ist also dynamisch. Er orientiert sich aber auch dann am Mehrwert, nicht am Umverteilen und am Beutemachen.
Darin steckt noch eine Kleinigkeit: Neid kann eine Triebfeder sein. Nur wer sich vor denjenigen fürchtet, die mehr erschaffen wollen, die auch etwas für sich erreichen wollen, der ist wirklich mißgünstig. Der ist wirklich bürgerlich.
Nur einen Haken hat die ganze Sache: Da es sich um Menschen handelt, bedarf es lenkender Kräfte. Das können durchaus gemeinsame Werte sein, vermittelt auch durch geeignete Erziehung zur Kooperation. Dann liefe die Sache von selbst. Allerdings ist in der „harten Realität“ meistens noch etwas anderes nötig: Führung. Die wiederum kann niemand leisten (Ja, Führung ist eine Leistung, die man messen kann), der immer und immer wieder siegen muß. Der Sieger hinterläßt nur Zerstörung und Unterworfene. Führen kann nur, wer anderen zum Erfolg verhelfen kann und dies vor allem auch will. Und wer es schafft, den Übereifer einzelner zu steuern, damit es nicht soweit kommt, daß sich einige als Besiegte fühlen. Die werden nicht mehr folgen. Die sind dann zwar immer noch vonnöten, aber nicht mehr dabei.

Lessons learnt

Wer als Unternehmer sehen will, wie sich Menschen prügeln, der sollte zu einem Boxkampf gehen. Das ist billiger, mithin effizienter, als alle halbe Jahre neue Leute anlernen zu müssen; sonst ist der Wirkungsgrad, also die Effektivität – und damit die Produktivität –, der Belegschaft zu gering. Wettbewerb hat per se nichts mit Prosperität zu tun. Freude am Wettstreit wird nur erlebt und Erfolg im Wettstreit wird wird nur erlangt im kooperativen Wettbewerb, der nicht die Vernichtung anderer, der vielmehr das Übertreffen alter Ziele verfolgt.
Ich muß um Entschuldigung bitten: Die Cabaret-Nummer „Effizienz & Effektivität: Warten auf die Weisheit“ konnte ich mir hier einfach nicht verkneifen.
Dies alles gilt auch für jeden einzelnen in seinem privaten und beruflichen Umfeld. Wer alles tut, nur um einen Tick mehr zu haben als der Nachbar, ohne daß ihn das Gesamtergebnis auch nur ansatzweise interessiert, der sollte meines Erachtens einen Arzt aufsuchen. Und was für jeden einzelnen gilt, das gilt auch für Staaten. Auch da gibt es Geisteskranke.
Ach ja, noch etwas zum Abschluß: Viele meinen ja, im Thema Wettbewerb die „Lehren des Macchiavelli“ wiederzufinden. Und die wären ja sehr erfolgreich gewesen. Ich finde nicht, daß ich mir die Lehren eines Speichelleckers zu eigen machen sollte. Denn mehr war dieser Mann nicht: Der beste Schmeichler seines Herrn weit und breit. Und sein Herr war ein irrer Despot.
Peter Rudolf Knudsen, Westfalen im April 2013

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