Die Diskussion um Kapitalismus und Sozialismus jetzt beenden, ich bitte sehr darum!
Der Kapitalismus krankt nicht so sehr an Überbetonung von
Gier oder mangelndem Gerechtigkeitssinn, er hat ganz andere Webfehler.
Kapitalisten sind zum Beispiel deshalb sehr gerne Kriegsgewinnler und
Leichenfledderer (Mergers and Acquisition), weil sie ängstlich, zaghaft und
konzeptionsbeschränkt sind.
Deshalb können Kapitalisten nur unter den Bedingungen
undemokratischer, starrer Systeme existieren. Sie ertragen die Unsicherheit,
die allem Tun in diesem Universum nun einmal zugrundeliegt nicht (Es gibt auch
so etwas wie eine politische Quantenmechanik). Deshalb sind sie hochgradig
innovationsfeindlich. Sie ergreifen neue Chancen nicht, sie fürchten sie. Jede
Veränderung bedeutet für sie nichts als unkalkulierbares Risiko. So war es bei
der Einführung der Eisenbahn auch. Die Kapitalisten sprangen erst auf den Zug
auf, als dieser schon unterwegs war. So wird es auch künftig sein, wenn zum Beispiel
die Autos mit Verbrennungsmotor abgelöst werden müssen. Dazu bräuchte man
nämlich Risikokapital. Und das kennt der Kapitalist nicht. Der kennt nur
sichere Renditen im Altbewährten. Auch aus diesem Grunde stürzen sich
Kapitalisten gern auf Bereiche wie die Energieversorgung.
Zu dem Beispiel der Energieversorgung noch zwei Nebensätze:
Der in den letzten Jahren hier eingeführte Wettbewerb zwischen Stromanbietern
ist nur ein Potemkinsches Dorf. Das sind nur Marketingmaßnahmen, um jeden
Kunden erreichen zu können. Das Standardmodell im Lebensmitteleinzelhandel dazu
heißt ABC-Markenstrategie. Zweitens: Alles was im Energiesektor Anfangsinvestitionen
und Erhaltungsinvestitionen (Stichwort „Netze“) erfordert, liegt dabei
außerhalb des kapitalistischen Interesses.
Im übrigen ändern auch die fälschlicherweise Investoren
genannten Investmentbanker daran nichts. Das sind nur Hasardeure
beziehungsweise (in den 1920er und 1930er Jahren in den USA so genannt)
Raubritter. Sie schaffen keine neuen Werte und sie bringen auch keine neuen
Technologien voran. Sie verteilen nur um.
Und noch ein Satz zum Auswendiglernen: Wettbewerb ist der
Vorgang mit dem Ziel, sich am Ende selbst abzuschaffen. Kurz: Jeder Wettbewerb
führt zwangsläufig zum Monopol. Jeder
unnötige, künstlich installierte Wettbewerb führt schneller dahin. Dafür aber
nicht so auffällig.
Der Sozialismus hat dagegen ein ganz anderes Manko. Er ist
keineswegs nur zu behäbig und reaktionsträge. Er postuliert nicht nur
Grundbedürfnisse, auf deren Erfüllung es allein ankomme (Das ist, ganz ehrlich,
der größte Quatsch aller Zeiten. Produkte, die Freude machen, sind
grundsätzlich gute Produkte. Freude zu empfinden ist Bestandteil des
Wohlergehens und Wohlfühlens jedes einzelnen. Nur kann eine ganze
Volkswirtschaft nicht auf Klingeltönen basieren). Der Sozialismus ist vor allem
nicht austauschfähig. Man kann mit ihm nicht wechselwirken. Wie der
Kapitalismus auch, braucht er eine starre Umgebung. Selbst wenn man bestimmte
Bereiche, auch nicht als glühendster Marktradikaler, nicht dem „freien Spiel
der Kräfte“ aussetzen will, zum Beispiel Trinkwasser, so ist die sozialistische
Zwangsbewirtschaftung und Zuteilung nicht die adäquate Antwort.
Die augenblickliche, die öffentliche, die bürgerliche
Reaktion ist genau das: Reaktion, Restauration, Rückschritt, Wiederherstellung
einer Feudalwirtschaft mit Konzentration von Boden, Produktionsmitteln,
Energie, Wasser und Lebensmitteln in der Hand weniger, mit Unfreien und mit
Bürgerlichen, die für die wirklich Mächtigen die Hofnarren geben.
Mir dagegen ist an einer fortschrittlichen, erweiterbaren
und dauerhaften Alternative gelegen.
Der unternehmende Staat
Früher gab es ab und an weise Könige, die ihre Untertanen in
die richtige Richtung brachten. Sie führten. Nun, in einer Demokratie, und die
behalten wir doch besser bei, kann man das auf seinen Staat (leihweise)
übertragen. Wobei es in diesem Aufsatz nur um die technische Funktionsweise
geht. Die innere Verfassung ist ein eigenes Aufsatzthema.
Mein unternehmender Staat gibt mehr als nur Hilfestellung,
er macht mehr, als nur Leitplanken in die Landschaft einzuziehen. Er ist das
Instrument der Führung der staatlichen Gemeinschaft. Aber er ist eben nur ihr
Werkzeug.
Mein unternehmender Staat lebt ausschließlich von dem, was
sein Unternehmertum hervorbringt. Er lebt ausschließlich vom Mehrwert, in der
Praxis also von der Mehrwertsteuer, die auch keineswegs großartig wachsen muß. Und
mehr bekommt er auch nicht, auch nicht durch noch so ausgefallene Steuerideen. Daher
kann er nur in einer industriellen Form existieren
(Finanzdienstleistungsgesellschaften können das nicht, da sie nur umverteilen).
Und er braucht Wachstum. Aber auch hier ist an dieser Stelle nur von der
technischen Funktionsweise die Rede. Auch hier ist die Ausformulierung des
Wertekanons ein eigenes Aufsatzthema (Art des Wachstums und der Gradient).
Mein unternehmender Staat ist ein schlanker Staat. Er kann
nicht Lebensgrundlage an sich sein, wie der Staat es augenblicklich für die
Staatsbürger ist, die ja nur deshalb so heißen, weil sie aus dem Staat heraus
leben, ohne etwas zum Mehrwert beizutragen.
So ganz nebenher erwähnt: der aktuelle Zustand läßt einen
Übergang zu einem neuen Staat nur durch eine Art Insolvenzplanverfahren in
Eigenverantwortung zu. Der augenblickliche Zustand hat durchaus etwas ausgeprägt
Konkurshaftes.
Noch ein wichtiger Hinweis: Nicht gemeint ist ein Staat, der
nur gesetzliche Rahmenbedingungen schafft, um Privatunternehmen
Einkunftsmöglichkeiten zu schaffen, die diese sonst nicht hätten. Zum Beispiel,
wenn für die elektronische Steuererklärung in der „Vollversion“ von den Nutzern
Kartenleser und Zertifikate sowie sonstige Software gekauft werden müssen.
Solche „Unternehmungen“ haben den Charakter des Zehnten oder adeliger
Jagdrechte im Mittelalter, wie viele der augenblicklichen Privatisierungsbestrebungen
auch, zum Beispiel zum Thema „Wasser“. Solche Leistungen seiner Verwaltung hat
der Staat selbst zu erbringen, dafür erhält er Steuern.
Die Funktionsweise des unternehmenden Staates
Der unternehmende Staat funktioniert wie „Mister 51%“. Er
ist aktiver Marktteilnehmer. Jeder ist aber gleichzeitig eingeladen, ja
aufgefordert, sich bei (neuen) Unternehmungen, sagen wir einmal beim Umbau der
Energieversorgung, einzubringen. Einbringen heißt, von Anfang an das Risiko
mitzutragen.
Da genau dies aber nicht funktioniert (in diesem Sinne sind
Investoren eben auch nur Menschen), geht mein unternehmender Staat halt voran.
Er trägt das Anfangsrisiko. Und deshalb erhält er auch das größte Stück vom
Kuchen. Und falls später jemand einsteigen möchte, so ist er willkommen. Er
kann sogar die Mehrheit erwerben. Aber eben nur erwerben, nicht geschenkt
bekommen, weil „Privat vor Staat“ oder so ähnlich. Und er darf gerne das Anfangsrisiko,
daß er ja nicht hat tragen wollen, nachträglich kräftig ausgleichen. Will er
das alles nicht, nun, dann ist er eben Minderheitsgesellschafter. Ist ja auch
ganz schön, wenn er mitarbeitet, also Leistung erbringt, die es wert ist,
bezahlt zu werden.
Mein unternehmender Staat macht aber noch etwas ganz
besonderes. Er soll ja nicht als Oberkonzern über allem schweben. Daher stützt
er sich auf die vielen kleinen Kleinkapitalisten, die in jedem von uns
schlummern. Das ist der Genossenschaftsgedanke, der dahinter steckt.
Ein Beispiel mag das verdeutlichen. Bauen wir dazu einfach
einmal eine neue Eisenbahnstrecke quer durchs Land und erschließen so ganz
nebenbei noch bisher vernachlässigte Räume. Und setzen wir einfach voraus, das
sei zu unserem Nutzen und deshalb wollen wir das auch. Und überdies statten wir
die Lokomotiven noch mit einem alternativen Antriebskonzept aus, sagen wir
einmal mit Brennstoffzellen.
In althergebrachter Art und Weise würden die Bürgerlichen
jetzt nach einem Großinvestor suchen, einem, der ihnen alles, auch das Denken
und Führen, abnimmt. Nehmen wir einmal an, den finden wir nicht, weil das
Risiko einem Investor zu groß ist, und weil das Konsortium, das sich ganz
schnell bildet auch ganz schnell wieder auflöst, weil so ein Konsortium für
gewöhnlich das Fell des Bären verteilt, bevor dieser erlegt ist.
Mein unternehmender Staat kann nun allein anfangen oder er
kann mit seinen Menschen entlang der Strecke zusammen Genossenschaften bilden.
Die können dann den Bau durchführen. Sie können auch den Betrieb übernehmen.
Müssen sie aber nicht. Sie können später gern (groß-)kapitalistische Teilhaber
für den Betrieb suchen, sofern die leistungsfähig sind und sich vor allem
leistungswillig zeigen. Und sofern sie einen Ausgleich für das Anfangsinvest
leisten.
Auf diese Art und Weise ist ein ständiger Austausch zwischen
„Privat“, „Genossenschaftlich Privat“ und „Staat“ möglich. Und genau darauf
kommt es mir an. Die Dinge bleiben im Fluß. Nichts führt zu schneller
Erstarrung (Alterserstarrung aber gibt es natürlich auch hier wie überall). Und
der wesentliche Unterschied zu jetzt ist, die Dinge kommen überhaupt erst
einmal in Bewegung. Und genau das macht „Unternehmen“ aus. Eine gutgemeinte
Idee in den Sand zu setzen ist bei weitem nicht so schlimm, wie gar keine Ideen
zu haben. Und eine Niederlage zu ertragen ist bei weitem nicht so schlimm, wie
die Feigheit es erst gar nicht zu versuchen.
Allerdings sind es immer die Menschen, die etwas tun oder
lassen. Den Bürger, den kann man dafür nicht mehr gebrauchen. Der hat einfach
nichts von dem Esprit und der Tapferkeit, die man beides braucht, um frohgemut
durch diese ach so komplizierte Welt zu wandeln.
Peter Rudolf Knudsen, Westfalen im Februar 2013
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