Montag, 22. April 2013

Das Europäische Haus

Das einige Europa. Für die einen der Garant des Friedens, für die anderen die Aufgabe aller ihrer nationalen Errungenschaften. Nun, vielleicht geht es auch ein wenig unaufgeregter, angemessener.

Daß die europäischen Nationalstaaten historisch nichts weiter als Krieg untereinander und, als das nicht mehr reichte, weltweit geführt haben, daß sie durch Kolonialismus und übersteigerte Selbstsicht Unglück und Verderben über die Welt gebracht haben, das sind einfach nur historische Tatsachen. Ebenso Tatsache ist auch, daß sie all das nur vermochten, solange sie sich untereinander nicht verständigen konnten. Sie hatten nicht gelernt zu kooperieren. Die erfolgreichste Strategie der Evolution, die Kooperation, war in Europa noch nicht angekommen. Nach dem letzten großen Knall scheint dies aber so langsam wahrgenommen zu werden.
Ferner ist es keine große Erkenntnis, daß die einzelnen europäischen Staaten in der sich neu formierenden Welt chancenlos sind. Dadurch, Gott sei Dank, wird auch von außen Druck ausgeübt, der zur Kooperation nötigt. Allerdings noch nicht mit dem wünschenswerten Erfolg. Gerade im Augenblick droht alles wieder auseinanderzulaufen, obwohl es dazu gar keinen Grund gibt.
Denn die vielbeschworene Eurokrise und die noch mehr beschworene Staatsschuldenkrise gibt es im eigentlichen Sinne gar nicht. Es gibt lediglich die Fehlentwicklung, alle Kräfte auf die sogenannte Finanzdienstleistungsindustrie auszurichten. Eine „Industrie“, die nur Werte umverteilt, aber keinen Mehrwert schafft. Dahinter lugt noch immer der Gedanke vom europäischen Übermenschen hervor, der sich nicht mehr selbst mit Arbeit die Hände schmutzig zu machen braucht; er macht jetzt in Dienstleistung.
Und auch die sogenannten Staatsschuldenkrisen sind, bis auf die Ausnahme Griechenland, nichts weiter als Fehlspekulationen der Banken der reichen Staaten in der EU, die sich schadlos halten wollen. Deckt sich mit der Misere der Finanzdienstleistungsindustrie, die ja für „ihren Job“ Schuldner mit bester Bonität braucht. Das können nur noch Staaten oder Völker sein. Nicht weil die soviel Geld hätten. Aber weil die am Schluß nicht mehr „auskneifen“ können. Jedes Privatunternehmen kann sich im Falle des Falles in die Insolvenz retten. Völker können das nicht. Brauchen sie als Souverän auch nicht. Sie können auch so „Finanzindustriellen“ die Grenzen aufzeigen, falls ihre Führungen und selbsternannten Eliten dies wollten.
Nein, diese sogenannten Krisen sind nur Vorwand für all diejenigen, die sich vor der sich verändernden Welt in ihrer kleinen Wagenburg verstecken wollen. So kommen manche denn auch auf die Idee von Nord- und Südwährungen, weil man die ja so schön gegeneinander auf und abwerten kann. Eigentlich aber verfolgen solche „Strategen“ nur das Ziel, den vermeintlich reicheren Norden gegen den vermeintlich ärmeren Süden abzuschotten. So eine schön breite europäische Südzone ist doch eine herrliche Grenzbefestigung gegen alle, die von noch weiter südlich vordringen könnten. Könnten. Da wird Vorneweg-Verteidigung zur Paranoia. Aber die „völkischen Autarkisten“ unter den Gutbürgerlichen waren ja schon immer etwas neben der Spur.

So aber könnte etwas daraus werden …

Auch wenn es jetzt ein wenig mechanisch wird. Das macht nichts. Ich stelle mir halt gern Zusammenhänge technisch vor. Das muß man nicht. Aber mir macht es auch ein Stück weit Freude.
Dieses technische Bild ist das Automatikgetriebe mit Doppelkupplung und Drehmomentübergabe. Damit gelingt die Kraftübertragung, ohne daß es zu „Löchern“ mit Leistungsabfall kommt. Und genauso stelle ich mir das Zusammenlaufen der europäischen Staaten vor. Die gemeinsame Währung gibt es ja schon. Und die wollen wir jetzt auch behalten. Wir kooperieren jetzt auf dieser Basis einfach weiter.
Das Zusammenlaufen in der Wirtschaft könnte durch gemeinsame Standortpolitik befördert werden, zum Beispiel in der Logistik oder bei großen Schlüsselindustrien. Ich meine damit eine politische Lösung. Nicht eine privatwirtschaftliche oder eine staatliche. So ist es im Bereich der „Personenlogistik“ gar nicht einzusehen, warum ein irischer Kobold (die mit den Goldtöpfen) sämtliche Flughäfen abweidet und verbrannte Erde hinterläßt. Das Netz europäischer Flughäfen (und Seehäfen und Güterbahnhöfe usw.) kann man politisch zum Wohle der internen Warenströme konzipieren, wenn man will.
Weiterhin könnten sehr leicht die Mehrwertsteuersätze angeglichen werden. Auch könnte die Mehrwertsteuer im gesamten innereuropäischen Warenverkehr überall gelten, wie auf einem echten Binnenmarkt eben. „Zurückgeben“ kann man diese „Mehrbelastung“ sehr leicht über Einkommen- und Körperschaftssteuern.
Auch könnten die Rentensysteme und andere Sozialversicherungen/Vorsorgesysteme leicht angepaßt werden, um sie zum Beispiel von der störanfälligen Beitragsdeckungssystematik wegzubekommen. Damit würden auch (Binnen-) Arbeitskosten vergleichbar. Darüberhinaus würde die berufliche Freizügigkeit befördert, ohne die jetzt üblichen Versicherungen eines europäischen Arbeitnehmers durch seinen „ausländischen“ Arbeitgeber bei seiner „heimischen“ Versicherung.
Es gibt sehr viele solcher Kooperationselemente, die Stück für Stück ineinandergeschaltet werden könnten, ohne daß dazu ein großer Verfassungskonvent abgehalten werden müßte. Ein solches „Verfassungskonklave“ haben wir ja schon versucht. Von weißem Rauch aber keine Spur.
Nur zwei Dinge müssen vorher „eingerichtet“ werden. Diejenigen, die solche Kooperationen absprechen, müssen demokratisch legitimiert und kontrolliert werden. Dazu stelle ich mir vor, zunächst die Wahltermine der nationalen Parlamente anzugleichen (nicht die Systeme; das kann, wenn man will, später passieren). Gleichzeitig sollten parallel immer auch die Wahlen zum Europaparlament und zur Kommission (Ja, gerade die muß demokratisch installiert werden) abgehalten werden; ergänzt meinethalben noch um Volksabstimmungen über Fortführung, Änderung oder Abbruch von Großprojekten. Alles ein bißchen viel für Lieschen Müller? Denke ich nicht. Lieschen von nebenan ist zwar jetzt 86 Jahre alt, aber dumm ist die ganz gewiß nicht. Das packt die schon.
Das zweite „große Ding“, das notwendig ist, das ist Führung. Demokratisch legitimiert hin oder her. Wer als Politiker nicht führen kann oder will, der hat seinen Beruf verfehlt oder seine Berufung mißverstanden. Aber in diesem Punkt habe ich auch meine größten Bedenken. Gerade bei uns ist es üblich, die Dümmsten und Faulsten in politische Ämter zu heben. Vielleicht weil von denen keine echte Gefahr ausgeht. Gut. Habe ich verstanden. Aber so langsam sollten sich die Menschen auch einmal wieder etwas zutrauen. Falls es einmal vorkommt, daß ein selbsternannter Führer das braune Hemd überstreift, dann kann man den auch schnell wieder zum Teufel jagen.

Fazit

Nun, man sieht deutlich, einen Einheitsstaat braucht es gar nicht, zumindest nicht am Anfang, vielleicht auch für immer nur als Vision, als Leitbild. Die einzelnen Länder können gern als „Profit Center“ agieren. Es muß aber Absprachen nach außen geben und gemeinsame Ziele. Dazu sollte auch ein zu erreichendes Prokopfeinkommen in allen Ländern gehören. Und, wäre dies ein Kartell gegen den Rest der Welt? Ja, wäre es. Na und?
Peter Rudolf Knudsen, Westfalen im April 2013

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