Freitag, 27. Dezember 2013

Die artgerechte Wirtschaftsform der Säugetiere Mensch

»Veränderungen finden einfach nur statt. Sie ereignen sich, weil sie es können. Es gibt keinen Vorlauf und keinen Nachlauf. Es gibt keine Übergangsphasen. Es gibt keine Ankündigung. Wer aktiv teilhaben will, kann sie nur antizipieren, geistig vorwegnehmen. Dennoch wacht er eines Tages auf – und die Welt ist eine andere. Wenn er liegen bleibt, lebt er sein Leben zu Ende. Wenn er aufsteht und das Neue annimmt, kann er sein Leben gestalten.«

Eines Tages stellte der Martin Luther fest, daß die Ordnung, das System aus den Fugen geraten war: durch exzessiven Ablaß- und Reliquienhandel. Obwohl es ja eine Nachfrage danach gab und obwohl die Einnahmen seiner (!) Kirche damit gut waren, so stimmte da etwas nicht mehr. Das System war in unkontrollierte Schwingungen geraten. Das wollte er korrigieren. Doch das System war schon so instabil, daß andere Kräfte die Gelegenheit hatten, etwas eigenes dagegenzusetzen. All das wollte der Luther gar nicht, aber dennoch hat er es ausgelöst.
Hätte der Luther schon etwas von Unschärferelation gehört, so hätte es ihn nicht verwundert. Systeme sind nun einmal keine mechanistisch eindimensionalen Gebilde, sie sind auch keine geschlossenen Kreisläufe mit genau vorhersehbaren Zuständen und Zustandsänderungen. Sie sind ein in sich gefaltetes Netzwerk, dessen Faltungen sich ständig verändern. Sie funktionieren in Grenzwerten, die aber nur in Bandbreiten vorliegen. Die Bandbreiten können so schmal sein wie sie wollen, es bleibt eine Unschärfe. Systeme mutieren. Einfach so. Weil sie es können.
Die Evolution ist so ein System. Darin ist nichts zwangsläufig. Darin ist nichts mechanistisch. Äußere (Umwelt) und innere (Arten bedrängen andere Arten) Kräfte sind da wirksam. Aber diese Kräfte sind nicht der eigentliche Motor. Mutationen haben als Ergebnis Verbesserungen. Sie erzeugen aus sich heraus einen ständigen inneren Verbesserungsdruck. Aber prinzipiell geschehen Mutationen, weil sie es können. Es finden fortwährend „Experimente“ statt, von denen keineswegs sicher ist, daß sie auch lohnen. Ein Graus für alle „Effizienzgläubigen“. Aber Ideen, die man nicht hatte, kann man noch nicht einmal verwerfen. Wer religiös ist, der mag darin Gott erkennen, wie er mit seiner Schöpfung spielerisch umgeht. Darf er ja, es ist ja seine. Wer das religiös sehen mag, der sollte aber auch erkennen, daß Gott nicht am Anfang einmal am Werk war. Der mag erkennen, daß er noch nicht fertig ist und auch nicht fertig werden wird.
Gattungen und Arten definieren sich durch ihre Strategien. Diese selbst lösen wiederum Experimente und Verbesserungen aus. So kann es zum Beispiel sein, daß kurze Lebenszeiten und damit schnelle Mutations-/Generationsfolgen bewirken, daß auf eine Krise schnell reagiert werden kann. Schnell ist manchmal also ganz gut und Tradition ist halt nicht aus sich heraus ein sinnvoller Wert. Gattungen und Arten bestehen insgesamt so lange, wie ihre Strategie erfolgreich ist. Danach werden sie abgelöst. Diese „Ablösung“ ist dann die noch mögliche Form des Weiterbestehens. Ach ja! Erfolgreich heißt: Mehr werden, mehr für jeden schaffen.
Nebensatz: Es gibt sie ja, die Raubtiere. Aber sie sind nur eine Randerscheinung. Sie bedrängen andere Arten, aber wenn sie eine Art soweit bedrängen, daß die untergeht, gehen sie gleich mit unter. Sie sind nicht die hellsten Köpfe. Sie sind oft Hungerleider, auch wenn einige so etwas wie „einteilende Planwirtschaft“ mit ihrer Beute betreiben. Sie haben eigentlich nicht einen Tag in ihrem Leben satt zu essen. Ihr Aufwand für das Beutemachen ist enorm. Das ist weder ressourcenschonend noch effizient. Sie stehen nicht an irgendeiner Spitze der Entwicklung. Sie sind diejenigen, die die Evolution halt mit durchschleppt. Sie haben halt nichts anderes gelernt. Sie sollen auch Randerscheinung bleiben. Alles auffressen kann man eben nur einmal. Und das wäre der Fall, wenn in der Gedankenwelt einiger Leute der sogenannte Wohlfahrtsverlust auf Null schrumpfen würde. Alles wäre exakt allokiert. Und damit weg.
Ergänzung zum Nebensatz: Ich will Raubtiere werder verteufeln noch vergöttern. Auch nicht unsere aktuellen Investmenträuber, die „Die Ritter vom Orden der 4. (Es war doch die vierte?) Funktion des Geldes“. Sie sollten nur nach ihrem wirklichen Stellenwert eingeordnet werden. Vielleicht sollten sie in einem Reservat „behütet“ werden. Ihre Spielgewinne (mit Spielgeld, nicht mit echten Währungen) könnten sie ja dann tauschen, falls sie jemanden dafür finden.
Wir, die Menschen – und damit es klar ist: Es gibt nur eine Art Mensch auf diesem Planeten –, gehören zur Gattung der Säugetiere. Deren Erfolgsstrategie ist das immer weiter differenzierte soziale Verhalten. Erst diese „intrinsische“ Differenzierung hat es ermöglicht, daß sich arbeitsteilige Gesellschaften entwickeln konnten, wirtschaftende Gesellschaften. Jedes Subjekt darin ist ein wirtschaftendes Subjekt. Und ich bin der festen Überzeugung, daß dies bereits in der nomadisierenden Jäger- und Sammlergesellschaft der Fall war, spätestens.
Ein wesentliches Kennzeichen der Erfolgsstrategie der Gattung Säugetiere ist auch, daß es keine Stufen gibt, die nur der Nutzenmehrung einer „höchsten Stufe“ dienen. Wie gesagt: Systeme sind Netzwerke. Jede Art, jede Nische in der Gattung hat dieselbe Strategie. Erreicht sie innerhalb ihrer Art und ihrer Nische nicht ihren eigenen Nutzen, dann war sie erfolglos. Sie verschwindet und entzieht damit der ganzen Gattung ein Stück weit den Boden unter den Füßen. Wer also Arten und Nischen ausmerzt, der befördert nicht seinen eigenen Nutzen. Der kastriert sich selbst.
Zur Strategie gehört aber auch die ständige Verbesserung, der ständige intrinsische Druck zur Leistungssteigerung. Allerdings ist es ein Druck, der dem Kriterium der „ständigen leichten Überforderung“ genügt. Aus der Motivationslehre doch bekannt, oder? Nur diese Art Druck gewährleistet den Erfolg. Und nur der Erfolg spornt zu noch mehr Leistung an. Das ist es, was Wachstum ausmacht. Damit ist Wachstum auch nicht begrenzt. Nur das Schlagen auf immer denselben Stein zerstört diesen. Nicht das Suchen nach neuen Steinen und das Bearbeiten mit immer besseren Werkzeugen.
Um auch dies klar zu formulieren: Auch das Streben nach Autarkie, nach der kleinteiligen Selbstbeschränkung – am besten noch einhergehend mit dem Verweis auf „die Umwelt“ –, hat mit der Efolgsstrategie der Säugetiere nicht das geringste zu tun. Nicht umsonst hat es niemals etwas anderes gegeben, als den Handel unter den Menschen über die Welt verteilt. Die jetzigen Menschen haben seit ihrem Auszug aus Afrika eigentlich niemals den Kontakt untereinander wirklich verloren. Sie waren von Anfang an globalisiert. Deswegen hatten sie sich schließlich aufgemacht.
Und nun? Weder „völkische Autarkie“ (auch nicht die grüne) mit Regionalbezug und Wachstumsbremse, weder mechanistisches Denken aus „voraufklärerischer“ Zeit, weder eindimesionale Wertschöpfungsketten mit Effizienzcredo sektirerischer Libertärer des 17. Jahrhunderts noch allumfassende sozialistische Gleichverteilung mit beschränkter Leistungsfähigkeit  können eine artgerechte Wirtschaftsform der Säugetiere Mensch hinreichend beschreiben. Aber was dann? Nun, ich bin da nicht so pessimistisch.
Aber zuvor noch eine kleine Bemerkung: Freiheit ist einwesentliches Element der Evolution. Nämlich die Freiheit, es einfach zu versuchen. Allerdings ist das vornehmste Merkmal der Freiheit in der menschlichen Gesellschaft, sich selbst disziplinieren zu dürfen. Muß man nicht. Aber dann besorgen das auch ganz schnell andere.
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Nach meinen Vorstellungen sind die folgenden Merkmale wesentlich für eine artgerechte Wirtschaftsform. Nota bene: Diese Merkmale sind nicht gewichtet. Sie haben keine Rangfolge. Wer also meint, man könne mit Nummer Eins anfangen und dann vielleicht …, der irrt gewaltig. Es sind die Merkmale eines systemischen Netzwerkes. Und das gibt es ganz oder gar nicht. Hatte ich das nicht erwähnt? Mea culpa. Und wenn einige Begriffe bekannt vorkommen sollten: Es kommt auf das Verständnis an, das man davon hat! Man wird doch wohl noch sagen dürfen, wie man die Sache selbst sieht!
Wohlergehen – Das Wohlergehen jedes Einzelnen und jeder einzelnen Gruppe ist das eigentliche Ziel des Wirtschaftens nach evolutionären Maßstäben. Wohlergehen heißt aber nicht nur Wohlstand im Sinne von noch einem Auto oder anderen Gütern, es heißt vor allem auch Entfaltungsmöglichkeiten für jeden Einzelnen und jede Gruppe. Wenn der Kapitalismus oder der Kommunismus, die sich in Gestalt neofeudaler Herrschaftsstrukuren doch verblüffend ähnlich sind, wenn entweder der Kapitalismus die allumfassende Verarmung und Verblödung (sogenannter Wettbewerbsvorteil zum Nutzen der „Spitze der Wertschöpfungskette“) zur ersten Regel erhebt oder der Kommunismus bleiernde Gleichmacherei auf niedrigster Stufe (Befriedigung sogenannter Grundbedürfnisse) auf Punkt Eins der Tagesordnung hat, so ist es evolutionäre Pflicht, Entfaltungsmöglichkeiten zu schaffen, sonst droht Inzucht.
Entfaltung durch verfügbares Einkommen genauso wie durch horizontale und vertikale „Ausbreitungsmöglichkeiten“: Damit ist nicht einfach die sogenannte Aufstiegschance gemeint. Es geht nicht nur um die Chance, genauso zu werden wie ein anderer, es geht darum, daß Entfaltung, auch mit experimentellem Charakter, tatsächlich stattfindet. Das kann man durch Quoten erreichen, sollte man aber nicht. Viel wichtiger ist, Grenzen abzureißen. Und das gelingt in sozialen Systemen immer noch am besten durch Verachtung und Mißachtung, also durch „Herunterholen vom hohen Roß“ und durch schlichtes Ignorieren von angeblich unüberwindbaren Hindernissen. Wenn also eine soziale Gruppe durch „Volksentscheid“ meint, Bildungsmöglichkeiten anderer verhindern zu müssen (Hamburg), so sollte man das Volk auch einmal ignorieren. Das darf man ruhig machen.
Vertikale Ausbreitungsmöglichkeiten? Nun, auch innerhalb einer „Schicht“, auf gleicher Ebene muß Beweglichkeit herrschen. Und da ist der Leistungsbezug ausgesprochen sinnvoll. Nichts lähmt mehr als schlechteter Lohn für gleiche Leistung oder gar mehr Leistung, zur Zeit durch Unterscheidung von Gelernten und Ungelernten zementiert; eine mittelalterliche Erscheinung, nannte man einmal Zünfte. Entscheidend ist aber allein das Leistungskriterium, sowohl für jeden einzelnen als auch für das Ergebnis aller.
Weiterhin ist wesentlicher Bestandteil des Wohlergehens die Daseinsfreude; Gestaltungsmöglichkeiten durch verfügbares Einkommen und Ausbreitungsmöglichkeiten sind eine Sache. Erfüllt das den einzelnen Menschen nicht – und das tut es nicht –, hilft der Grundsatz „Produkte, die Freude machen, sind gute Produkte“. Damit will ich vor allem klarstellen, daß es nicht im geringsten um die Befriedigung sogenannter Grundbedürfnisse geht. Alles ist erlaubt, was Freude macht. Kann danebengehen (siehe den Luther ganz am Anfang), macht aber nichts. Denn dann helfen die „sozialen Werkzeuge“ Verachtung und Mißachtung weiter, wenn man denn Alternativen aufzeigen kann. Angeblich originäre Wirtschafts-Instrumente wie Steuervorteile oder Subventionen sind dagegen untaugliche Relikte mechanistischer Denkweisen.
Kleine Erinnerung: Diese Merkmale einer artgerechten Wirtschaftsform sind nicht hierarchisch, sie sind vernetzt. Nicht vergessen!
Mehrwert und Wachstum – „Der Sinn allen Wirtschaftens ist der Mehrwert, das Wachstum“. Natürlich das Mehren von Wohlergehen! Damit ist klar, das es keine Grenzen des Wachstums gibt. Vielleicht ist das beim Wohlstand so, nicht aber beim Wohlergehen, zu dem die Entfaltungsmöglichkeiten gehören! Das ist jetzt nicht mehr so einfach wie das Denken in Zahlen. Aber es müßte doch jedem klargeworden sein, daß ein BIP, nur noch getragen durch die sogenannte Finanzindustrie, nicht mehr ganz so werthaltig ist. Vor allem dann nicht, wenn in Quartalen gedacht wird. Die Geschwindigkeit des Wachstums ist keineswegs ein Merkmal ihrer Güte. Man kann sich auch künstlich unter Druck setzen – und sich herrlich dabei selbst austricksen.
Merke:  Mehrwert ist nicht Beutemachen und das Verteilen der Beute unter den Spießgesellen; er bedeutet Auf- und Ausbau, nicht Zerstörung! Schon gar nicht Zerstörung der Ressourcen: Alles auffressen kann man eben wirklich nur einmal!
Mehrwertschaffen findet auf jeder Stufe einer  Wertschöpfung statt, also auch und gerade beim Leistungslohn. Nebenbei: Ausgerechnet der Kapitalismus mit seinem Leistungsanspruch verlangt, für gute Leistung möglichst umsonst zu arbeiten. Allein das zeigt schon, daß er gar keine echte Wirtschaftsform darstellt. Es ist nicht entscheidend, daß am Ende möglichst viel (für wenige) übrigbleibt. Der individuelle Reichtum und der individuelle Gewinn am Ende sind erlaubt, aber vollkommen unwichtig, solange davor nicht auch Mehrwert geschaffen wurde. Entscheidend ist der Erfolg für jeden einzelnen in jeder Phase der Wertschöpfung, erst das garantiert Leistungsbereitschaft und -steigerung, alles andere ist nur auspressen und wegwerfen. Das hinterläßt nur abgenagte Knochen, wie bei den Raubtieren. Deren außerordentlich geringe evolutionäre Bedeutung wurde ja schon erwähnt.
Ähnlich ist es auch mit sogenannten „Altindustrien“, die unbedingt immer erhalten bleiben müssen, wegen der doch von selbst laufenden, eingefahrenen Geschäfte und der Arbeitsplätze. Geldwechseln ist keine Form des Wirtschaftens. Es ist allenfalls Ausdruck geistiger Bequemlichkeit und Faulheit.
Noch einmal zur Erinnerung – Lernen durch „Einhämmern“ –: Es geht hier nicht um die Unterscheidung in Grundbedürfnisse und Luxus oder ähnliche Kriterien, die lediglich ausgrenzende Funktion haben. Solche Kriterien sind bestenfalls der bürgerlichen Deformation (ein Mutationsunfall der politischen und sozialen Seite der Evolution) geschuldet, deren krankhaft übersteigertem Sicherheits- und ebensolchem Geltungsbedürfnis.
Leistung und Innovationsdruck – Leistung und guter Leistungslohn sind was anspornt, sind was Erfolg, auch und gerade ganz individuellen Erfolg ,schafft. Und Erfolg spornt zu noch mehr Leistung an. Daß es dabei auf das Einhalten gemäß dem Prinzip der „ständigen, leichten Überforderung“ ankommt, wurde schon ausgeführt, kann aber nicht oft genug wiederholt werden. Evolution kombiniert Geschwindigkeit und „Sprunghöhe“ immer wieder neu. Beides muß innerhalb der Bandbreite bleiben, die bewältigt werden kann. Wie an der Fischtreppe: Sind die Stufen zu hoch, bleibt auch der allergrößte Anlauf mit maximaler Anlaufgeschwindigkeit erfolglos.
Es fügt sich, daß guter Leistungslohn gleichzeitig auch Rationalisierungs- (interne Innovation) und „Kreationsdruck“ zu neuen Produkten, besseren Produkten, zu neuen Leistungen, besseren Leistungen (externe Innovation) bewirkt. Leistunsgbereite Arbeiter und ständig unter „Denkdruck“ stehende Unternehmer passen bestens zusammen. Die Methode, erst die Abschreibungen zu Ende verdienen, ist hochgradig innovationsfeindlich und damit kontraevolutionär. Produktivität ist eine Kennzahl, die für sich allein betrachtet in die Irre führt. Gelegenheiten zu verpassen, nur weil man „nicht zu Ende verdient hat“, nur weil es doch gerade so schön läuft, führen unweigerlich ins Abseits.
Es freut mich immer wieder, mich selbst zitieren zu können. Arbeiter und Unternehmer könnten in einer leistungsorientierten Gesellschaft vor diesem Hintergrund sogar eine neue Mitte der Gesellschaft bilden, eine „Achse des Mehrtwerts“:
Wirtschaften in Bandbreiten – Es gibt schlicht und ergreifend keine absoluten Werte, an denen man sich orientieren kann. Wenn jemand also postuliert, nur das Geschäft zum Bestpreis habe sich gelohnt und nur wer dieses Geschäft gemacht habe, der habe es auch verdient, weiter „am Markt“ präsent zu sein, der sollte sich auf seinen Geisteszustand untersuchen lassen. Wirtschaften ist kein Kampf in der Arena auf Leben und Tod. Ob etwas erfolgreich ist, hängt von ganz individuellen Maßstäben ab. Erfolg mißt sich nicht einfach nur an „Vier ist mehr als Drei“. Ob ein Geschäft erfolgreich ist oder nicht, ob der Gewinn gut ist oder nicht ist, ist Frage der Maßtäbe. Die Frage ist nicht, ob jemand mehr Rendite gemacht hat, die Frage ist, wie man beim nächsten Mal seine eigene erhöht; denn offenbar war die Bandbreite doch größer als angenommen. Dann darf man aber auch nicht den wirtschaftlichen Freitod wählen, nur weil man gerade einmal nur Zweitbester geworden ist. „Am Ende kann es nur einen geben“ taugt für Spielfilme. Wirtschaften ist eben kein Kriegführen, Wirtschaften ist der beständige Weg zu Mehrwert und Wachstum.
Klar sein muß man sich aber darüber, daß Bandbreiten in aller Regel eher schmal sind (Komisches Wort „schmale Bandbreite“, nicht wahr? Ist aber so). Aber man kann ja kompromißbereit, auf „Evolutionsdeutsch“: anpassungsfähig sein. Damit etwas bewertbar bleibt, legt man halt immer wieder neu und regelmäßig die Bandbreite fest. Daran kann man dann bewertet werden. Das ist im übrigen etwas anderes als die berühmten „Gewinnwarnungen“ (auch so ein lustiges Wort). Die haben doch in Wahrheit nur den einen Zweck, den als falschliegend enttarnten Verantwortlichen kurz vor dem Knall im voraus zu entlasten. Sehen Sie, es sind doch nur die Menschen mit all ihren kleinen Schwächen, die wirtschaften. Unabhängig aller theoretischer über- und untergebauter Modelle, die ohne Menschen auskommen wollen. Denn Bandbreiten haben eine Unschärfe.
Wettbewerb in Bandbreiten – Ein kurzer Absatz: Gleiches gilt auch hier. Wichtig ist nur, daß evolutionärer Wettbewerb nicht im mindestens auf die Vernichtung abzielt. Wenn in der Evolution Arten verschwinden, dann wurden sie nicht von anderen vernichtet. Ihr Experiment war einfach nur danebengegangen. Denn beim Wirtschaften hat Wettbewerb eine ganz eigene Dynamik: Wettbwerb ist der Vorgang, an dessen Ende seine Abschaffung, an dessen Ende das Kartell steht. Und dann ist es vorbei mit der evolutionären Vielfalt. Dann haben wir den Salat, dann liegt Inzucht vor.
Damit aber die Vielfalt erhalten bleibt, braucht es nicht einfach nur mehr Wettbewerb. Wenn man also einfach hergeht und sagen wir einmal die Wasserversorgung privatisiert, um damit Wettbewerb in den Markt zu bringen, so ist das bestenfalls eine Lüge. Denn es geht nur um den Zugriff auf Produkte, die „wie geschnitten Brot“ laufen. Es geht um das risikolose Auspressen von Abhängigen. Und das heißt, daß evolutionäres Wirtschaften damit am Ende ist. Nein, Wettbewerb erfolgt „intrinsisch“ durch fortwährende Leistungssteigerung. Mehrwert und Wachstum erzeugen aus sich heraus ständigen Wettbewerb, auch mit sich selbst. Die Bandbreite des erfolgversprechenden Wettbewerbs wird dann durch die Bandbreite der ständigen leichten Überforderung bestimmt. Und wem das zu kompliziert und zu allgemein ist: Wettbwerb erreicht man durch offene Türen und Fenster, wegen des frischen Windes. Man muß nicht besinnungslos die eigenen Haustiere zur Schlachtbank führen, nur damit noch ein Metzger mehr etwas zu verdienen hat.

Wirtschaftender Mensch – Den nicht wirtschaftenden Menschen gibt es nicht. Es gibt nur den wirtschaftenden Menschen. Jeder für sich selbst. Es ist unabdingbare Aufgabe jeder gesellschaftlichen und staatlichen Organisationsform, ihn dazu zu befähigen. Ihm den Entfaltungsspielraum zu geben. So! Und jetzt haben also all die recht, die jedwede Fürsorge fahren lassen wollen, um die Lohnnebenkosten wegzubekommen, oder?

Nein, haben sie nicht! Ob jeder zum Beispiel für seine Altersvorsorge oder sonstige Belange allein zuständig ist oder nicht – das sind ganz andere Fragen sinnvoller Alternativen –, an den Kosten für die Unternehmen ändert das nämlich nichts. Es war ja schon vom Leistungslohn die Rede, vom guten und hohen Leistungslohn; das Wörtchen hatten Sie wohl überlesen. Es steht aber nicht zufällig in diesem Text. Die Annahme, irgendwer habe Eigentum an Produktionsmitteln, irgendwer verfüge über Investitionsmöglichkeiten, und das berechtige ihn auch, möglichst billig und knechtend andere Menschen, die diese Form von Eigentum nicht haben, für sich und zu seinem Wohl arbeiten zu lassen, ist doch nichts weiter als eine weitere Ausprägung selbsternannten Herrenmenschentums. Und um zu zeigen, wie unwichtig das alles ist, hier zwei kleine Hinweise: Eigentum ist nichts weiter als die Duldung daran. Wer es übertreibt, den kann man getrost wegjagen. Und Geld ist etwas ganz anderes. Dazu komme ich gleich noch.
Um aber die am Horizont jetzt von einigen schon erkannte drohende rote Gefahr abzuwenden: Mir geht es nicht im geringsten um Enteignung.Ich möchte nur auf die Zerbrechlichkeit abgeblich fester Strukturen hinweisen. Wer aber einfach nicht anerkennen will, daß er es mit anderen Menschen zu tun hat, die ihm nicht im mindestens etwas schuldig sind, der kann wegbleiben. Wer nicht erkennt, daß jeder einzelne Mensch als wirtschaftendes Subjekt gleichen Stellenwert hat, der soll sein Geschäft auf dem Mars machen. Der ist für die weitere Evolution der Art hier auf diesem Planeten nur Ballast.
Respekt als sozialem Leitgedanken des Wirtschaftens – So, So! Und jetzt kommen wir also zu den „soft facts“ oder wie das mitlerweile heißt? Nein. Respekt ist ein unabdingbarer Wert in jeder Form sozialer Organisation. Ein Wesensmerkmal der Gattung der Säugetiere. Respekt hat evolutionären Charakter. Er ist unverzichtbare Voraussetzung auch für die kleinste Anstrengung zu Leistung. Respekt ist aber nicht eine bewertbare Größe. Man kann ihn nicht kaufen. Willfährigkeit kann man kaufen. Nicht aber Resepkt und auch nicht Leistungsbereitschaft. Kaufen kann man nur die abgelieferte Leistung.Und ob die hoch ausfällt, ist auch und gerade eine Frage des Respekts, mindestens gleichwertig dem Lohn.
Wirtschaftsspirale – Am besten bildet eine Spirale das ab, was Wirtschaften im evolutionären Sinne eigentlich ist. Sie dreht sich scheinbar in Kreisläufen. Tatsächlich aber hat sie eine kontinuierliche Ausdehnung. Sie dreht sich mal schneller, mal langsamer, sie dehnt sich mal stärker, mal schwächer, sie schwingt auch manchmal etwas hin und her. Aber solange sie in den erlaubten Bandbreiten (Unschärfe!) bleibt, ist sie stabil und dreht sich immer weiter. Sie kann sogar kräftige Stöße von außen abfangen. Genau das ist es, was mit Mehrwert und ständigem Wachstum prinzipiell gemeint ist: Das Weiterdrehen der Spirale; den nächsten Spiralarm anbauen.
Nur ein Bild? Nein. Die vielbeschworenen Kreisläufe gibt es gar nicht. Und das in zweierlei Hinsicht. Es gibt keine völkische Substitutionswirtschaft (Wirtschaften war und ist immer eine globale Aktivität, nur die Weite des Horizonts hat sich verändert) und es gibt keine immergleichen mechanistischen Vorgänge, wie sie die Neo- oder sonstigen Liberalen postulieren.
Auch das oft gehörte Nullsummenspiel (linke Tasche, rechte Tasche) gibt es nicht. Wenn irgendwo etwas weggenommen wird, dann bricht das System zusammen. Auch wenn es woanders landet, so paßt es da nicht hinein. Es ersetzt das Loch nicht. Worte lügen nicht: Wenn so oft von „Gegenfinanzierung“ die Rede ist, dann zeigt das nur die Angst vor dem Voranschreiten. Dabei kann man Fehler machen. Auf der Spirale allerdings muß man etwas machen, das „Vorfinanzieren“ heißt. Oder Investieren. Da nimmt man dann eine neue Windung vorweg. Sonst geht es nicht voran.
Die Wirtschaftsspirale kann aber auch einmal in einen Resonanzzustand geraten, mit richtig kräftigen Schwingungen. Sie kann auch mal ein Stück weit zurückfedern. Sie kann aber niemals brechen. Und sie kann nicht komplett rückwärts laufen. Das passiert erst dann, wenn wir Säugetierart Mensch durch die Kopffüßler ersetzt worden sind, wie einige weit voraussehende Wissenschaftler meinen.
Geld – Wie war das? Erst war die Tauschwirtschaft, dann kam das Geld als Zahlungsmittel, weil es einfacher ist. Dann kam dies und das. Und mittlerweile ist Geld gedrucktes Vertrauen. Hätten wir nach Lehman gelernt. Welch ein Blödsinn!
Der Sinn des Geldes war von Anfang an: Vertrauen auf die Erfüllung von Zusagen, und das nach akzeptierten Bewertungsmaßstäben (und darin steckt dann die unabdingbare materielle Seite des Geldes, es existiert nicht für sich allein im virtuellen Raum, selbst wenn man es als Idee nicht anfassen kann). Alles andere ist davon abgeleitet (Zahlungsmittel, Vereinfachung des Handels etc). Damit hat die Idee des Geldes evolutionären Stellenwert. Es ist unabdingbare Voraussetzung für Wirtschaften unter Menschen. Nur essen kann man es nicht.
Ich habe einmal gehört, in irgendeiner vorindustriellen Gesellschaft haben Steine vor den Häusern gelegen. Diese Steine hätten die Kreditwürdigkeit des Bewohners repräsentiert. Das ist jetzt ein Ding, nicht wahr? Also: Back to the roots. Die Wertschöpfung mit Geld aus sich heraus zu neuem Geld ist einfach nur Unfug. Das ist genauso schwachsinnig wie der Versuch, Fahrräder zum Fliegen zu bringen, weil das die Flugzeuge sparen würde.
Ja, aber: Wenn man Geld nicht essen kann, so kann man doch damit zu Essen kaufen, oder? Nein, kann man nicht. Denn damit man etwas zu essen kaufen kann, muß das erst einmal produziert werden. Und zwar mit Mehrwert für die Produzenten. Dazu braucht man Geld. Kennen Sie „Dune, der Wüstenplanet“? „Das Spice muß fließen“, heißt es da. Paßt hier haargenau. Wenn Geld benutzt wird, um mit sich selbst zu handeln, dann fehlt es da, wo es gebraucht wird. Also, gebt den Zockern Chips, wie es in jeder Spielbank (schon wieder etwas für „Worte lügen nicht“) üblich ist.
Aber: Wo soll denn das benötigte Geld herkommen? Das muß doch erst einmal verdient werden! Nein, muß es nicht. Solange das Vertrauen da ist, kann es gedruckt werden. Das ist bei jedem Kredit so. Das Vertrauen darf nur nicht (allzu sehr) enttäuscht werden. Vor allem nicht durch Kredite, die nur als Halbzeuge auf dem „Veredelungsweg“ zum Derivat gebraucht werden (Subprime).
Geregelter Markt – Der Markt regelt sich doch selbst? Mit Angebot und Nachfrage. Das ist doch genug. Ist es nicht. Hat Luther auch schon festgestellt. Evolutionäres Wirtschaften funktioniert nur in Bandbreiten, schmalen Bandbreiten. Das ist für alle Beteiligten gesünder. Vor allem in Bereichen, in denen die Verlockungen groß sind, zum Beispiel Energie, Wasser, Wohnen, da darf „das sichere Geschäft“ dann auch gern ein kleines sein. Sicherheit und hohe Rendite passen halt wirklich nicht zusammen; da haben die Marktradikalen nun einmal recht. Das muß man der Fairness halber auch erwähnen.
Und alles weitere? Neue Produkte usw.? Nun, der Markt kann überhaupt nichts regeln. Er ist nur ein Begegnungsplatz, sonst nichts. Man darf ihn nicht überfordern. Und antizipieren und neue Entwicklungen aufgreifen, das macht aber der Markt dann von allein! Nein, auch das macht er nicht. Das Beispiel der ersten Eisenbahnlinie in England mag das zeigen (ist auch unverfänglich, da sich dort nur frühe Marktradikale untereinander in die Quere kamen).
Also: Auf Basis einer vorhandenen, aber noch keineswegs serienreifen Technologie (Risiko!) wollten einige investieren, um mehr erreichen zu können. Das war löblich. Und sie hatten auch kein Problem damit, durch topographisch ausgesprochen schwieriges Gelände zu bauen. In die Quere kamen sie dabei anderen, die auf dem Transportgeschäft mit Treidelkanal und Kutsche saßen. Da waren wohl die Abschreibungen noch nicht verdient worden. Gelöst wurde das ganze erst mit endlosen, aber umso intrigenträchtigeren Vorstößen im Parlament. Und wo war da die Selbstregulierung?
Ist das nicht Planwirtschaft? Ja sicher ist es das! Zumindest dann wenn, man einen Plan hat. Am besten einen guten. Zum Beispiel bei der systemischen Neuorganisation der Energiegewinnung, -speicherung und -versorgung. Dabei auf den Markt zu warten, wäre eine Adaption von „Warten auf Godot“.
Ja, aber, das ist doch Staatswirtschaft! Ja sicher ist es das! Aber nur in einem Staat, der Führen und Regieren ernst nimmt. Weder der „Drehtür-Staat“ zur Wahrung von Klientelinteressen (Achtung: Gesetze zur Wahrung von Interessen werden nur solange befolgt, wie sie nicht andere Interessen gefährden!) noch der Versorgungsstaat können das. Der unternehmende Staat kann das schon. Und ich freue mich schon wieder, mich hier selbst zitieren zu dürfen:
http://peter-rudolf-knudsen.blogspot.de/2013/04/der-unternehmende-staat.html

Wie genau man beim „Marktregeln“ die Bandbreiten beachten sollte, mag das Beispiel „mergers & acquisitions“ zeigen: Verkaufen Unternehmen, verkaufen CEOs untereinander Anteile, so ist diese Form des Unternehmertums erst einmal nur ein Zeichen für mangelnde Eigeninitiative. So kommen die gewünschten Zahlen schneller in den Quartalsbericht. Es könnte aber auch strategisches Kalkül dahinterstecken. Dann kann es zu einer Frage des Wettbewerbserhalts werden. Wenn es aber dann in eine Form von „Schrotthandel“, „Abschreibungskünstlertum“ oder gar zur „Halbzeugproduktion“ der „derivatesüchtigen Finanzindustrie“ wird, dann ist die Bandbreite verlassen. Alles klar?
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Zum Schluß: Vollkommen unwichtig sind bei all dem Besitzbürgertum und sonstige „Groß-Vermögende“. Wichtig ist nur der politische Wille und die politische Macht. Das wissen die genannten auch, sonst würden sie nicht alles tun, um diese politische Macht zu behalten. Warum eigentlich? Sie sind doch reich! Nun, weil man Geld, das für Investitionen gebraucht wird, drucken kann. Das liegt am Wesen des Geldes, denn solange Vertrauen da ist und es nicht „verjuxt“ oder „verpraßt“ wird, funktioniert das. Man darf das Vertrauen nur niemals (tief) enttäuschen. Und auch das Eigentum an Grund und Boden und an sonst etwas anderem ist nichts weiter als eine gesetzlich geschützte Duldung. Man sollte sorgsam damit umgehen und sich die weitere Duldung sichern.
Auch ist hier ist gar nicht von Gerechtigkeit und Neid und all dem anderen Vielgehörten die Rede. Warum eigentlich nicht? Nun, weil es darum nicht geht. Gerechtigkeitsempfinden und Neid beschreiben Wesenzüge des Menschen. Grundlegende Wesenzüge. Die systemischen Hintergründe, die systemische Basis, auf der wir in der Gattung der Säugetiere stehen, ist aber wesentlich älter. Und ich finde, es macht gar nichts zu erkennen, daß auch wir ganz bestimmten Gesetzmäßigkeiten unterliegen.
Und noch etwas mit auf den Weg: Die gegenwärtige Situation und ihre Tendenzen führen zwangsläufig in einen Verteilungskrieg. Wer den will, der soll ihn meinethalben haben. Ich, der Leiharbeiter,fürchte diesen Krieg nicht. Aber es kann auch ohne gehen. Das soll nicht an mir liegen.
Ganz zum Schluß ein Späßchen: Unter Fehlallokation verstehe ich ab sofort alles, was nicht in meiner Tasche landet. Womit der Kapitalismus als das entlarvt ist, was er wirklich ist: Ein Witz in der Mitte der Geschichte. So wie die bürgerliche Gesellschaft.

Peter Rudolf Knudsen, Westfalen im Dezember 2013

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