Montag, 9. Dezember 2013

Der Kapitalismus ist keine Wirtschaftsform

Was soll das? Was soll dieser Text? Nun, er soll dazu beitragen, Versäumtes nachzuholen. Die 1980er Jahre hinterließen nicht einfach nur einen untergegangenen Sozialismus, sie hinterließen auch ein Vakuum, eine Leere bar jeder konzeptioneller Neuausrichtung. Der Kapitalismus hatte sich nicht als die siegreiche Kraft im evolutionären Ringen erwiesen, er war einfach nur übriggeblieben. Das hatte schon damals nicht gereicht, um eine notwendige neue Basis abzugeben.
Wie aber soll man das machen? Zweifelsfrei könnte man jetzt eine Eingebung haben, die einem erstens kurz die Welt neu erkennen läßt und die einem zweitens die sinnvolle neue Ordnung, insbesondere die Wirtschaftsform, gleich mitliefert. Man kann aber auch einen anderen Weg gehen – Eingebungen dieser Qualität sind halt selten, dafür meistens auch nicht so tragfähig wie man meinen möchte –: in einem Ausschlußverfahren erst einmal alles weglassen, was definitiv nicht hilfreich ist. Dazu aber braucht man einen Maßtab.
Die erste Frage ist daher: Was bitte schön ist eigentlich eine Wirtschaftsform, was ist eine Wirtschaftsordnung und was soll die bewirken? Ich meine, es verhält sich so …
Die Wirtschaftsform hat die Aufagbe, den Sinn allen Wirtschaftens zu befördern. Das ist das Schaffen von Mehrwert, die ständige quantitative und vor allem die ständige qualitative Verbesserung. Das ist es, was dann Wachstum ausmacht. Übrigens auch Wachstum im banalsten Sinne: Wachstum der Bevölkerung. So ist die Welt keineswegs überbevölkert. Die Menschen konzentrieren sich nach wie vor seit Flintstones Zeiten auf die Küstenregionen. Es gibt noch genug Siedlungsraum. Aber für den muß man halt etwas tun, und das auch noch vorsichtig, um nicht dieselben Zerstörungen zu verursachen wie in der Vergangenheit. Und das die Menschen wachsen sollen, hat einen einfachen Hintergrund: Je mehr sie sind, desto mehr Potential haben sie auch. Daß das irgendwann an eine systemische Grenze stößt, ist nicht weiter schlimm. Dafür hat die Evolution eigene Regelmechanismen. Die können wir ruhig von allein wirken lassen. So fatal wirken die sich gar nicht aus. Im Augenblick jedenfalls ist das Boot keineswegs voll, das europäische schon gar nicht.
Die Wirtschaftsform hat die vornehmste Aufgabe, das Wohlergehen des wirtschaftenden Menschen zu befördern, nicht nur zu erhalten. Und der wirtschaftende Mensch ist jeder Mensch. Den nicht wirtschaftenden Menschen gibt es nicht. Nur um richtig verstanden zu werden: Das Wohlergehen ist erstens nicht das Versogen mit Grundbedürfnissen (Wer legt das eigentlich fest?) und es ist zweitens nicht das Befördern grenzenlosen Reichtums weniger, gewissermaßen als Beweis dafür, daß jeder das schaffen könnte, wenn … Ja, wenn was? All das sind nur Phrasen jener, denen schlicht und ergreifend nichts besseres einfällt. Der individuelle Reichtum ist nicht der Maßstab für den gesamten Erfolg. Er kann eintreten; das ist mir vollkommen gleichgültig, solange es nicht zu bleierner, alles erlahmender Herrschaft führt. Aber er darf erst dann eintreten, wenn das Wohlergehen aller gesichert ist. Und zum Wohlergehen gehört halt mehr als nur das sogenannte Grundbedürfnis. Dazu gehört vor allem der individuelle Erfolg, nach ganz individuellen Maßstäben. Erst das bewirkt Motivation zu noch mehr Leistung.
Die Wirtschaftsform hat die Felder des wirtschaftlichen Handelns zu definieren. Diese Felder können durchaus wechseln. Das hat mit den Zukunftsperspektiven zu tun. Die ändern sich nämlich von ganz allein. So wie es eine, noch gar nicht so lange vergangene, Vergangenheit gab, in der Schreibmaschinen überflüssig wurden, so wird es Zeiten geben, in denen der Individualverkehr in seiner jetzigen From überflüssig werden wird. Aber dennoch gab es, gibt es und wird es Felder geben, die einer strengeren Ordnung unterliegen müssen: Wasser, Boden (vor allem Ackerboden), große Wälder und die Meere zum Beispiel. Es mag ja verlockend sein, diese Felder zu beherrschen, daraus eine „ewige chash-cow“ zu machen, aber das sollte man sich wirklich verkneifen. Und wer das nicht von allein einsieht, dem darf dabei auch gerne geholfen werden. Und um auch hier richtig verstanden zu werden: Produkte, die Freude machen, sind gute Produkte. Will heißen: Ich rede hier nicht einer allumfasseden Reglementierung das Wort.
Die Wirtschaftsform hat Zukunftsperspektiven aufzuzeigen, ja zu antizipieren. Und alles dafür zu tun, um die Perspektiven Realität werden zu lassen. So etwas nennt man Führung. Von allein wird das nichts. Die „Märkte“ machen so etwas nicht. Die kennen sich nur auf ihren kleinen Inselchen aus, ohne zu verstehen, was sie auf dem Rest der Welt anrichten. Nun, Führung kann auch ein weiser König leisten (Ja, Führung ist eine Leistung, eine Arbeit, zudem mit Arbeistpflicht!); aber ich habe so die Erfahrung gemacht, daß das gesamte Weisheitspotential einer Gruppe sehr schnell schwindet, wenn der Quell aller Weisheit ein einzelner ist. Da ist es doch wohl besser, die Menschen insgesamt mit einzubeziehen, auch wenn so mancher Findungsprozess dann recht kurvenreich verläuft.
Und der Kapitalismus?
Der Kapitalismus ist das alles nicht. Vor allem, weil er als Gegenstand des Wirtschaftens nur OPM kennt: Other Peoples Money – Das Geld anderer Leute. Er verteilt nur um, ohne Mehrwert zu schaffen. Und niemand möchte mir bitte jetzt das Märchen vom Buchgeld erzählen. Das ist bestenfalls eine Art holographisches Elemtarteilchen mit extrem kurzer Lebenszeit. Es materialisiert überdies in neuerer Zeit verstärkt in Verlsuten, die systematisch zu Staatsschulden werden. Niemand braucht es.
Der Kapitalismus, auch in seinem historischen Werdegang („Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ zum Beispiel) begründet nichts weiter als ein neues Herrenmeschentum. Reichtum als Gottes Lohn für ein gottgefälliges Leben war schon immer die Grundlage der Herrschaft jeden Gottkönigs und jeder Priesterkaste. Auch das braucht niemand.
Vor allem aus diesem Punkt (Herrschende Kasten müssen ihre Herrschaft ja erhalten!) folgt: Der Kapitalismus ist in seinem Kern eine einzige Wachstums- und Fortschrittsbremse. Stets den Return of Investment abwarten zu müssen (zu müssen, nicht zu wollen), läßt neuen profitablen Möglichkeiten keinen Entfaltungsspielraum mehr. Und wer den Startschuß verpaßt, den kann auch gleich in den Blöcken bleiben, um es sportlich zu umschreiben.
Und: Der Kapitalismus ist vom Prinzip her der Resourcenvernichter schlechthin; ein Musterbeispiel an Ineffizienz. Obwohl er stets bemüht ist, die Arbeitskosten zu drücken, schafft er keinen Gewinn. Er ist doch immer nur auf der Suche nach dem Topf mit Gold (Diese Analogie zu den irischen Kobolden finde ich recht aktuell!). Und wenn er ihn gefunden hat, dann plündert er ihn aus. Bis zum Grund. Nichts als der leere Topf bleibt übrig. Und den, der hat ja dann keinen Sinn mehr, müssen andere entsorgen. Und wie dem armen Topf, so ergeht es ganzen Landstrichen und Staaten.
Der Kapitalismus hat sozusagen statt eines Profitgens ein Insolvenzgen in sich. Er hat einen genetischen Webfehler. Den kann auch kein Molekularbiologe wieder reparieren. Wir sollten diese Bude wacker zumachen, um es im Ruhrgebietsdeutsch (meiner Muttersprache) zu sagen.
Noch einmal: Was bleibt dann noch vom Kapitalismus? Die Antwort ist einfach: Nichts. Und das ist entschieden zu wenig.

Peter Rudolf Knudsen, Westfalen im Dezember 2013

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