Samstag, 18. Januar 2014

Der Leistungsbegriff in der nachbürgerlichen Gesellschaft

Leistung und Erfolg aus der Leistung sind, was den Menschen antreibt. Das sind erstens Mehrwert und Wachstum im tiefsten Sinne. Zweitens sind es Merkmale der Evolution. Die steht nicht still, macht bestenfalls eine kurze Pause. Sie hat kein Ende. Das sich weiterentwickeln ist der Zweck der Evolution. Sonst nichts. Das ist meinethalben der Sinn der Schöpfung.

Dabei zeigt die Evolution noch weitere Prinzipien auf, die für die Leistungserbringung prägend sind. Erstens gibt es ein optimales Tempo beziehungsweise eine optimale Geschwindigkeitsbandbreite, in der alles abläuft. Diese korrespondiert mit dem aus der Motivationslehre bekannten Prinzip der ständigen, leichten Überforderung. Erfolgserlebnisse in kleinen Stufen, häppchenweise. Daran ändern auch zeitweilige „Spitzendrücke“ von außen nichts. Sehr schnell kehrt die Evolution wieder zu ihrer „Basisgeschwindigkeit“ zurück.
Zweitens ist es das Experimentieren: Leistung kann auch einmal auf „blauen Dunst“ hin erbracht werden. Keinerlei Effizienzkriterien hindern daran, durch Experimentieren das sinnvollste Ergebnis hervorzubringen.
Drittens ist Leistung jederzeit bewertbar. Jedwede Leistung hat ihren evolutionären Wert. Es gibt keine höchste Stufe, die allein die „Bewertungshoheit“ innehätte. Das ist nachvollziehbar, da sonst „zwischendurch“ keine Erfolgserlebnisse erzeugt werden würden.
Um zum Punkt zu kommen: Genauso ist der Leistungsbegriff im Wirtschaften des Menschen anzuwenden. Jede Leistung ist bewertbar, jede Leistung bedeutet individuellen Mehrwert. Die „Wertschöpfungskette“ hat kein Ende, sie ist Selbstzweck. Sie dient nur dazu, für jeden darin Leistungserbringung und persönliche Mehrwertschaffung, persönliches Wachstum zu ermöglichen.
Dazu gehört noch ein weiteres, wesentliches Merkmal menschlichen Zusammenlebens: Respekt. Er ist der wirkliche „Klebstoff“ der Gesellschaft der Menschen. Hier ist es der Respekt vor der Leistung, auch vor der eigenen. Leistung herunterzuspielen, als unwichtig, als schädlich, als unerwünschten Kostenfaktor zu betrachten, ist die Verweigerung von Respekt. Und damit die Leugnung jeden Rechts. Nur zur Erinnerung: Den Zustand ohne Respekt und damit ohne Recht, den nennt man Krieg.
Ja, aber: Es gibt doch wichtigere und unwichtigere Leistungsarten, oder? Sind Autos als Wirtschaftsgut nicht wichtiger als Musik oder Unterhaltung? Nein, sind sie nicht. Sie haben bestenfalls einen vorübergehenden Vorrang. Zum Beispiel in dem Falle, in dem wir uns entschlössen, den Verbrennungsmotor binnen kurzer Zeit abzulösen. Dann hätten wir ein Projekt, das „durchgezogen“ werden müßte. Da hören wir dann kurzzeitig halt etwas weniger Musik. Das wäre es dann aber auch gewesen.
Ja, aber: Man kann doch zum Beispiel die Altenpflege und die Kindererziehung nicht genauso bewerten wie die Produktion, oder? Doch, kann man, muß man sogar. Nur was bewertet ist, ist auch vergleichbar. Und ohne Vergleichbarkeit läuft bei uns Menschen nichts. Abgesehen davon verändern sich die Maßstäbe laufend, sie sind unscharf. Viel wichtiger aber ist, daß die Leistunsgerbringer in Altenpflege und Kindererziehung, um in diesen beiden Beispielen zu bleiben, ihren ganz persönlichen Mehrwert schaffen können, der sie zu noch mehr Leistung motiviert. Das joviale Schulterklopfen für die Ehrenamtlichen ist kein Ersatz.
Carpe Diem heißt sowohl „Nütze den Tag“ als auch „Genieße den Tag“. Leistung und persönlicher Erfolg aus der Leistung sind Sinn und Zweck des Wirtschaftens, des Mehrwertschaffens, des Wachstums. Und der Erfolg hängt nun einmal zu einem sehr guten Teil – ich möchte sagen zum überwiegenden Teil – vom Lohn ab. So einfach ist das. „Nütze“ und „Genieße“ sind zwei Seiten derselben Medaille. Leistungswille und Freude am Erfolg sind ein und dasselbe.
Und wo ist jetzt der Unterschied zur bürgerlichen Variante? Immer noch nicht klar? Gut, dann langsam und in Blockbuchstaben: Der Bürger betrachtet sich als das Ende der Evolution. Er ist der Meinung, die höchste Stufe erreicht zu haben. Alle anderen dienten nur zu seinem Nutzen. Damit er das selber glaubt, hat er ein göttliches Sendungsbewußtsein entwickelt. Und er hat ein mechanistisches Gebilde für Politik und Wirtschaft dazugestellt, den Kapitalismus. Beides fast er dann zusammen in „Die protestantische Ethik …“ usw. usw., um nur eines der bekanntesten Beispiele aus dem bürgerlichen Märchenbuch zu nennen (zur Erinnerung: Das Märchen vom Schlaraffenland heißt heute Finanzindustrie). Er hat doch schließlich seinem Vorgänger, dem Feudalherrn, das Eigentumsrecht abgetrotzt, ohne zu hinterfragen, woher der es denn hatte. Das muß doch belohnt werden, oder?
Erstens ist das alles schon eine Weile her – und die Evolution steht ja nicht still. Und Zweitens übersieht er dabei zwei wichtige Dinge: Erstens negiert er den Leistungsbegriff überhaupt. Ja, er fürchtet Leistung sogar. Mehr Leistung von „unten“ gefährdet seine „Spitzenposition“. Und zweitens ist er nur ein Klon des Feudalherrn. Und Klone sind nun einmal recht anfällige Geschöpfe. Der Bürger ist mit dieser geistigen Grundausstattung in eine Sackgasse der politischen und menschlichen Evolution gelaufen. Darin irrt er jetzt herum. Lassen wir ihn in Frieden aussterben.
Peter Rudolf Knudsen, Westfalen im Januar 2014

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